Volle Kraft voraus – und öfter gegen die Wand

Männer und ihr Risiko im Straßenverkehr

Die amtliche Statistik ist eindeutig und leider wenig schmeichelhaft: In Deutschland sind drei Viertel aller im Straßenverkehr Getöteten männlich. Auch bei den Schwerverletzten führen Männer die traurige Liste an. Noch deutlicher wird es bei der Frage nach der Schuld: Über 81 Prozent aller tödlichen Unfälle gehen im Jahr 2024 auf das Konto männlicher Hauptverursacher. Als Pkw-Fahrer sind sie zu 77 Prozent in dieser Rolle.

Das lässt sich nicht einfach mit „Männer fahren halt öfter Auto“ erklären. Die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes sprechen eine klare Sprache: 87 Prozent aller Straftaten und 76 Prozent aller Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr wurden von Männern begangen. Besonders hoch ist ihr Anteil bei Überholverstößen (91 %), Alkohol am Steuer (85 %), Abstandsvergehen (81 %), zu hoher Geschwindigkeit (77 %) sowie bei der Handynutzung am Steuer (73 %) und Rotlichtverstößen. Auch schwere Delikte wie Körperverletzung und Tötung im Straßenverkehr stammen zu 82 Prozent von Männern. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer zeigt zudem: Männer neigen häufiger zu aggressivem Verhalten hinterm Steuer. Rund jeder fünfte Mann versucht mit Lichthupe oder Blinker freie Bahn zu erzwingen – bei Frauen ist es nur jede Zwanzigste. Selbst auf dem Fahrrad sind Männer oft risikofreudiger: schneller unterwegs, häufiger mit Kopfhörern oder Smartphone in der Hand. Männer verursachten als Hauptunfall-verursacher Kosten von 19,29 Milliarden Euro allein im Jahr 2021 – 11,3 Milliarden Euro mehr als Frauen.

Warum dieses Risiko?
Manche führen biologische Faktoren ins Feld – Testosteron, uralte Jägerinstinkte, Muskelmasse. Doch Männerberater Boris von Heesen hält vor allem Geschlechterstereotype für entscheidend: Schon Jungen hören früh, dass ein „echter Mann“ stark, durchsetzungsfähig und unerschrocken sein müsse. Dieses Bild prägt Erziehung, Medien und Alltag – und findet auf der Straße seine motorisierte Bühne. Verkehrspsychologin Dr. Bettina Schützhofer bestätigt: Männer fahren häufiger zu schnell, trinken mehr Alkohol und überschätzen sich öfter. In Gruppen verstärkt sich das – vor allem bei jüngeren Männern. Zeitdruck, beruflicher Stress und der Drang, Eindruck zu schinden, tun ihr Übriges. Frauen hingegen fahren statistisch defensiver, nicht alkoholisiert, nutzen häufiger den ÖPNV oder gehen zu Fuß. Sie sind öfter Opfer als Verursacher von Unfällen – beispielsweise als Fußgängerinnen in Städten.

Gesellschaftliche Brille statt Scheuklappen
Das Thema erhitzt vor allem männliche Gemüter. Viele verweisen auf körperliche Vorteile oder sportliche Leistungsfähigkeit – doch diese Stärken schlagen im Straßenverkehr leider oft in Risiken um. Eine Studie von Prof. Dr. Jennifer K. Bosson zeigt: Selbst in modernen Gesellschaften sind alte Rollenmuster tief verankert. Männer zeigen riskantes Verhalten nicht zuletzt, um Stärke zu demonstrieren.

Will man die Unfallzahlen senken, braucht es einen gendersensiblen Ansatz in der Verkehrssicherheitsarbeit:

- Gezielte Prävention schon in Schule, Kita und Fahrausbildung
- Datenanalysen mit Fokus auf Geschlechterunterschiede
- Social-Marketing-Kampagnen speziell für Männer, ohne Vorwurf, aber mit klarer Botschaft
- Strukturelle Maßnahmen wie Tempolimits oder stufenweisen Zugang zu leistungsstarken Fahrzeugen
Albert Herresthal bringt es auf den Punkt: Solange aggressives Fahren als „sportlich“ gilt und Geschwindigkeitskontrollen als „Abzocke“, verharmlost unsere Gesellschaft gefährliches Verhalten.

Die Vision Zero – null Verkehrstote – wird nur Realität, wenn wir auch den kulturellen Unterbau des Fahrverhaltens angehen. Weniger Ego, mehr Empathie im Straßenverkehr. Egal ob Mann oder Frau: Am Ende zählt nicht, wer schneller ist, sondern dass alle heil ankommen.

Foto: senivpetro auf freepik

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